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Gesellschaft+Porträt

Wo Faust vom Teufel geholt wurde

Edeltraud Pilz (Bild: vz)

Kein Haus in Staufen ist so sehr mit dem Namen Fausts verknüpft, wie das Gasthaus zum Löwen. Die Legende berichtet, Mephisto, „der obersten Teufel einer“, habe den Alchemisten genau an dieser Stelle in jenseitige Gefilde befördert. Weniger esoterische Theorien gehen davon aus, dass sich Faust im Jahr 1539 oder 1541 bei einem seiner chemischen Experimente selbst in die Luft jagte. Im Auftrag des Burgherrn soll er an der Verwirklichung des großen alchemistischen Traums gearbeitet haben: der Produktion von Gold. 

Edeltraud Pilz, seit 2005 Inhaberin des Gasthauses, lebt mit ihrem Mann und den beiden 12- und 17-jährigen Töchtern im Obergeschoss des Löwen - und liebt ihr Zuhause: „Wir nehmen das geschichtsträchtige Gebäude bewusst und gerne wahr. Ich bin täglich begeistert davon.“ Faszinierend sei es, in den zum Teil über 100 Jahre alten Gästebüchern zu blättern. „In den Einträgen kann man Zeitgeschichte nachlesen. Viel Fröhliches, aber auch viel Trauriges. Zum Beispiel die Einträge von Soldaten, die zurück an die Front mussten.“
Edeltraud Pilz ist Gastronomin aus Leidenschaft. Die Ausbildung zur Hotelfachfrau setzte sie nach dem Abitur gegen den Willen ihrer Eltern durch. Diese hätten allerlei Bedenken gehabt: gegen die langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten, die Branche insgesamt. Aber sie habe die Entscheidung für ihren Traumjob nie bereut – auch wenn das mitunter bedeute, von früh morgens bis spät abends auf den Beinen zu sein. Nach der Ausbildung in Bad Urach führte sie ihr Beruf unter anderem ins frühere „Hotel Hetzel“ am Schluchsee (heute „Vier Jahreszeiten“), dann machten sie und ihr erster Mann sich mit dem „Adler“ in Ehrenstetten selbstständig. Später kam die Leitung des gerade privatisierten Kurhauses in Bad Krozingen dazu.

Die Verwirklichung eines Traums

Als der Staufener Löwen 2005 zum Verkauf stand, rückte ein Traum in greifbare Nähe. Edeltraud Pilz erarbeitete ein Konzept und suchte Investoren. Mit dem Umzug nach Staufen wechselte die gesamte Belegschaft aus dem Adler den Arbeitsort. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Edeltraud Pilz. Heute beschäftigt sie insgesamt 20 Personen, darunter vier Köche. „Guter Service, aber nicht abgehoben“, beschreibt sie ihre Maxime. Beliebt sind die hauseigenen kulturell-kulinarischen Veranstaltungen mit Kooperationspartnern wie dem „Theater L.U.S.T“ oder „Auerbachs Kellertheater“, außerdem Krimi- und Candle-Light-Dinners oder kulinarische Whiskyproben.
Etwas „Mephistophelisches“ ist ihr in dem über 600 Jahre alten Gebäude noch nicht begegnet. Einmal abgesehen von den Rissen, die sich seit 2007 am Löwen genauso wie an über 200 weiteren Häusern in Staufen gebildet haben. Hier wie andernorts in der Stadt sind die Folgen der geothermischen Bohrungen beherrschendes Thema. Mittlerweile kommt alle zwei Wochen ein Experte ins Haus und untersucht den Status Quo. Am Gasthaus sind die Risse vergleichsweise überschaubar, sie zeigen sich lediglich an der dem Rathaus zugewandten Hälfte. Allerdings ist ausgerechnet die historische Fauststube betroffen: ein Spalt verläuft durch das alte Fresko, das Stationen aus Fausts Leben darstellt. Zwei Meter tiefer hat die sich hebende Erde auch das Stabparkett ein paar Zentimeter weit auseinandergetrieben.
Der Statiker schließt zwar aus, dass in den kommenden Jahrzehnten irgendetwas einstürzen könnte, berichtet Edeltraud Pilz. Dessen ungeachtet seien viele Reservierungen zum Beispiel von Hochzeiten oder Kommunionsfeiern storniert worden.

Ganze Scharen von „Riss-Touristen“

Denn inzwischen haben fast alle überregionalen Medien über den Fall Staufen berichtet. Und dabei nach Meinung vieler Einwohner mit Dramatisierungen der Stadt eher geschadet. „In Staufen kann man Tourismus zur Zeit mit zwei ‚s’ schreiben“, erzählt Edeltraud Pilz. Ganze Scharen sogenannter „Riss-Touristen“ zögen durchs Städtle, ohne dass allerdings die Staufener davon profitierten. „Die Leute spazieren von Riss zu Riss, stecken hier und da einen Finger hinein und fahren wieder ab.“
Edeltraud Pilz bleibt zuversichtlich. Seit seiner Erbauung hat der Löwen schon so manche Widrigkeit überdauert. Die erste urkundliche Erwähnung des Gasthofs datiert immerhin aus dem Jahr 1407. Das touristische Interesse an dem Haus ist groß. In keinem anderen Gebäude in Staufen sind so viele Reminiszenzen an Faust und Goethes Adaption des Stoffes versammelt. Neben der Fauststube im Erdgeschoss ist es vor allem das „Zimmer Nummer 5“, eines von insgesamt 16 Hotelzimmern. Die gemütliche Erkerstube wurde dem Raum nachempfunden, in dem sich Faust einst seinen Experimenten gewidmet haben soll. Ein Alkoven mit geschnitztem Faustrelief und mehrere Fenstermalereien erinnern an den wohl berühmtesten Hausgast. Auch im Saal ein Stockwerk tiefer weisen Bilder und alte Dokumente auf den sagenumwobenen Besuch des fahrenden Magiers hin.
Lange Zeit sei in Staufen kein großes Aufhebens um Dr. Faustus gemacht worden, erzählt Edeltraud Pilz. Es war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der Freiburger Apotheker Dr. Blume, der sich für dessen Aufenthalt im Breisgau zu interessieren begann und mit einer Reihe von Mitstreitern wie dem Künstler Fritz Geiges die Faust-Geschichte wieder ins öffentliche Bewusstsein rückte. Von Geiges stammt auch das bekannte Fresko an der Stirnseite des Hauses.
Heute zählt die Faustlegende neben Burg und Altstadt zu den Zugpferden im touristisch geprägten Staufen. Und Edeltraud Pilz setzt sich dafür ein, dass das so bleibt. Als zweite Vorsitzende im Zweckverband Ferienregion Münstertal-Staufen engagiert sie sich für die Interessen der Tourismuswirtschaft. Als Mitglied der Initiative „Wir halten Staufen zusammen“ wünscht sie sich neben dem Erhalt des denkmalgeschützten Altstadtkerns vor allem einen starken Zusammenhalt der Einwohner. „Bisher ist es beispielhaft, wie die Staufener an einem Strang ziehen.“
Gerade hat die Initiative eine Spendenaktion für die rissbedrohte Stadt ins Leben gerufen. Interessierte können gegen einen Geldbetrag die symbolische Patenschaft für einen Teil der Staufener Altstadt übernehmen. Am 5. Oktober wird eine Galaveranstaltung für den guten Zweck organisiert. Nebenbei findet Edeltraud Pilz auch noch Zeit für anderes, das ihr am Herzen liegt. Für ihre Familie. Für die Aufgaben als Elternbeirätin am Faust-Gymnasium. Und für ihr großes Hobby: das Fliegen von Motorseglern. „Die flexiblen Arbeitszeiten haben eben auch ihr Gutes.“

www.wir-halten-staufen-zusammen.de.
www.loewen-staufen.de.
www.muenstertal-staufen.de.


Autor:  vz (Staufener Nachrichten, Artikel-Nr. 1499 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 27.08.2009 13:41.

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Edeltraud Pilz vor dem historischen Löwen (Bild: vz)  

In der Küche des Löwen (Bild: vz)  

Das legendäre "Zimmer Nr. 5" (Bild: vz)  

An die Legenden um Faust erinnern die Fensterbilder. (Bild: vz)  

Von den Rissen betroffen: die "Fauststube". (Bild: vz)  
 
 


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