Seit 1976 gibt es den EU- weiten Anbaustopp für Wein, eine Art von gesetzlicher Qualitätskontrolle durch Mengenregulierung. Mit der EU- Weinmarktneuordnung
aus dem Jahr 2008 soll der Anbaustopp aufgehoben werden. Das Gesetz tritt planmäßig im Jahr 2015, spätestens aber 2018, in Kraft. Viele Winzer/Innen sorgen sich neben einer Billigweinschwemme um die Rentabilität kleinerer und aufwendig zu bewirtschaftender Anbauflächen, wie sie zum Beispiel im und um den Kaiserstuhl oder im Markgräflerland zu finden sind. Neben einem Betriebssterben, so die Befürchtungen der Weinbauern, hätte die veränderte Anbauregelung eine dramatische Veränderung der vom Weinbau geprägten Landschaft und damit auch negative Auswirkungen für Einheimische und Gäste zur Folge. Reben wo jetzt Mais steht und eine Verwahrlosung der jetzigen Weinanbauflächen, so das Horrorsszenario nach in Kraft treten des EU- Gesetzes.
„Neben dem, was in Japan geschieht, ist das Thema eher belanglos“, so Gastgeber Andreas Hoffmann, Vorsitzender des CDU- Ortsverbandes Niederrimsingen, in seiner Begrüßung, „aber für die Winzer hier, ist das Thema existentiell.“
Dieser Einschätzung schloss sich auch der Moderator der Podiumsdiskussion, Hoffmanns Amtsvorgänger Wolfram Golla an, bevor er die Gäste auf dem Podium im Niederrimsinger Gemeindesaal bat, jeweils ein kurzes Statement zum Thema abzugeben.
Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft
Die Spitzenposition Baden- Württembergs liegt in der Stärke des ländlichen Raums, betonte Dr. Patrick Rapp. Gewachsene Strukturen dürften nicht einfach in Frage gestellt werden, so Rapp weiter. Denn neben einer dramatischen Veränderung der Landschaft und den damit verbundenen Negativfolgen für den Tourismus würde das durch die Aufhebung des Anbaustopps zu erwartende Winzer/Innensterben auch zu dramatischen Veränderungen im dörflichen Leben führen. Ehemalige Weinbauern (m/w) wären nun gezwungen, sich auswärts um Arbeit zu bemühen. Zeit für Ehrenämter und dörfliches Leben würde demzufolge kaum übrig bleiben. Es steht also neben einem wirtschaftlichen auch ein gesellschaftlicher Aspekt zur Disposition, erläuterte der Kreisvorsitzende. Seit der Gesetzesnovelle vor zwei Jahren beschäftigt sich die Kreis- CDU intensiv mit dem Thema, beteuerte Rapp. So habe man bereits mehrfach EU- Abgeordnete auf die Problematik angesprochen und den Erhalt des Anbaustopps ins Wahlprogramm aufgenommen. Auch bis Berlin hat der Landesverband seine Sorgen getragen. Hoffnung setzte Rapp in die Neubewertung des EU- Weingesetzes Mitte 2012. Im Rahmen einer Halbzeitbilanz werde nochmals geprüft werden, ob Pläne wie eine Aufhebung des Anbaustopps angesichts neuer Zahlen überhaupt noch angebracht sind. Eine Änderung des Gesetzes wäre durch die bis 2012 gültige „Revisionsklausel“ rechtlich möglich.
Die Folgen der Anbaustopp- Aufhebung brachte auch Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbandes auf den Punkt: Der Weinbau wandert in die Ebene, da hier günstiger zu produzieren ist. Billigweine überschwemmen einen ohnehin gut sortierten Markt. Schwierige Anbauflächen und kleine Lagen erfahren einen dramatischen Wertverlust. Weinkultur mit Landschaftsbezug schwindet zu Gunsten industrieller Produktion. Der Bezug Kultur- Kulturlandschaft- Wein, der auch ein zentrales Verkaufsargument ist, verschwindet. Allerdings gab sich Schneider verhalten optimistisch. Einerseits finden die Anliegen der Winzer/Innen national wie international Gehör, denn „Weinberge sind gesellschaftlich anerkannt“. Andererseits ist mit dem EU- Agrarkommissar Dacian Ciolos, einem promovierten Agraringenieur, ein Mann am EU- Ruder, „der die Sorgen der Winzer versteht“, so Schneider, der bereits mehrfach gesprochen mit Ciolos gesprochen hat. Und auch die europäischen Weinanbauländer ziehen an einem Strang: Alle wollen den Erhalt des Anbaustopps.
„Man vergiftet sich nicht daran“
Auch an Weinen für unter einem Euro vergiftet man sich nicht, so Pragmatiker und Marketing- Mann Axel Hahn vom Badischen Winzerkeller. Der Trend zu sehr günstigen Weinen sei kaum zu stoppen, so Hahn weiter, da sich dieser einer wachsenden Käuferschicht erfreut. Allerdings würde ein Ein- Euro- Wein- Tsunami nach Ansicht des BWK- Vorstands „die Marke Wein stark beschädigen“. Der Anbaustopp ist somit von existentieller Bedeutung. Schon ein Aufschub des Gesetzes um 10 Jahre „wäre toll“.
„Die Gastronomie ist an der Seite der Weinwirtschaft. Wir brauchen die Qualität“, so DEHOGA- Vorsitzender und Gastwirt Peter Ehrhardt. Die Offenhaltung der Landschaft als Kulturlandschaft sei für den Tourismus ebenso notwendig wie der „Imagefaktor“ Weinkultur und gutes Essen. Der Weinbau spiel im Tourismuskonzept des Landes Baden- Württemberg eine riesige Rolle, so der Hotelier und Campingplatzbetreiber: „Ein großer Teil der Gäste kommen wegen der besonderen Kulturlandschaft und dem qualitätvollen Wein.“
Weinwertskala und Werbefrust
Bei der anschließenden Diskussion wurde zunächst die Frage laut, warum man sich das Weinanbaustoppaufhebungsgesetz überhaupt habe andrehen lassen, wo doch jetzt alle dagegen sind. Sowohl Dr. Patrick Rapp als auch Kilian Schneider führten dies auf die „Paketlösung“ zurück, der man zu achtlos zugestimmt habe ohne die einzelnen Bausteine zu prüfen. Das Gesetz zur Aufhebung des Anbaustopps war im Bündel der EU- Weinmarktreform enthalten gewesen, die zum Teil auch positive Neuerungen gebracht hat. Schneider versicherte, dass der Verband nach diesem „Lehrstück“ aufmerksamer sein würde. Auf Nachfrage erklärte Schneider zudem den Unterschied zwischen dem alten germanischen und dem neuen romanischen Weinrecht, der sich vor allem in den Qualitätsbezeichnungen für Wein niederschlägt. Während im germanischen Recht Weine nicht nach Region sondern nach Qualität anhand einer Punkteskala bewertet wurden, gelten nun europaweit die Herkunftsbezeichnungen. Höchste Qualitätsstufe ist die GU (Garantierte Ursprungsbezeichnung/ D. O. C. G.) mit einer Maximalmenge bis 90 Hektoliter pro Hektar, gefolgt von der garantierten geografischen Angabe (GGA/ bis 150 hl pro ha), den „Rebsortenweinen“ und einem obskuren Getränk, das sich schlicht „Wein“ nennen darf.
Kritik aus dem Publikum gab es für den mangelnden Zusammenhalt bei der badischen Weinwerbung. Axel Hahn betonte, dass dies kein rein badisches sondern ein gesamtdeutsches Problem sei, das unter anderem an der mäßigen Marketingleistung des Deutschen Weininstituts (DWI) läge. Zwar kassierten die munteren Marketingmacher eifrig Pflichtbeiträge, stellten aber keine entsprechenden Konzepte auf die Beine, kritisierte Hahn den Dachverband der deutschen Weinwerbung. Das Gerangel um die desolate wie altbackene Badische Weinwerbung allerdings, wird wohl auch das DWI nicht lösen können und auch um die Außenwirkung des Winzerkellers selbst sind momentan allerlei Negativnachrichten in Umlauf.
Zum Abschluss der Diskussionsveranstaltung wurde der größte anzunehmende Unfall, das Inkrafttreten des Gesetzes durchgespielt. Kilian Schneider sah in den Ursprungsbezeichnungen die größte Chance für den „Überlebenskünstler Winzer“ darin, sich von billigen, industriell erzeugten Massenwarenweinen abzugrenzen. Auch Axel stieß in ein ähnliches Horn. Das Qualitätsbewusstsein beim Verbraucher schärfen, lautete sein Ausweg aus der Sackgasse Billigwein. „Verbraucheraufklärung ist das A und O, so der Vertriebsvorstand von Europas größter Kellerei.
Immer wenn in der EU etwas harmonisiert wurde, musste Deutschland mit seinen Standards runter, beklagte Dr. Patrick Rapp. Um beim Weinanbau konkurrenzfähig zu bleiben, sollten die deutschen Winzer/Innen den umgekehrten Weg gehen, und durch hohes Niveau bestechen, riet der CDU- Politiker.
Bei echtem Wein aus echten Trauben echter Niederrimsinger Steil(vor)lagen wurde im Gemeindesaal noch über Rebensaft, Atomkraft und vor allem die bevorstehende Landtagswahl ausgiebig weiter diskutiert.