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Breisach
Donnerstag, 26. Dezember 2024
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Pyrrhussieg? - Knappe Mehrheit für den Abrissantrag „Alter Winzerkeller“

Schön geworden: Gelände "Vauban- Kaserne" nach der Sanierung (Bild: J. W. Steckmeister)

Auf seiner Sitzung am Dienstag, den 18. 05. 2010, hat der Breisacher Gemeinderat mit knapper Mehrheit dem Abrissantrag des BWK für dessen Gebäude in der Kupfertorstraße zugestimmt. Außerdem wurden die Schlussabrechnung des Sanierungsverfahren „Vauban- Kaserne“, die Fortführung der Beratungsstelle für ältere Menschen und deren Angehörige für weitere zwei Jahre sowie die Zusammenarbeit der Hauptschulen in Breisach und Vogtsburg beschlossen. 

Schon die bis zum letzten Platz gefüllten Zuschauerplätze ließen erkennen, dass der Abend Sprengstoff barg. Um aber den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen und die Entscheidungsfreude des Gremiums nicht überzustrapazieren, nahm Bürgermeister Oliver Rein gleich zu Beginn TOP 4: Bebauungsplan „Alter Winzerkeller“ von der Tagesordnung. Für das ebenso umfangreiche wie zukunftsweisende Thema würde eine eigene Sitzung anberaumt werden, so der Bürgermeister.

Ein echter Glücksfall!

Da es aus den Reihen der Bürger/Innen keine Fragen gab, konnte mit TOP 2: Sanierungsverfahren „Vauban- Kaserne“ in das Programm eingestiegen werden. Das Thema war bereits auf der Tagesordnung der Märzsitzung aufgetaucht, allerdings konnte bei einer Nachberechnung festgestellt werden, dass sich die Zahlen der Endabrechnung zu Gunsten der Stadt verändert hatten. Die Gründe hierfür erläuterte Roland Heckel, Projektleiter Kommunalentwicklung bei der LBBW (Landesbank Baden- Württemberg)- Niederlassung Freiburg. Der Trend hinsichtlich der Fördermittelverteilung, so Heckel, habe sich im Laufe der letzten Jahre von der Stadtkernsanierung hin zur Aufarbeitung von innerstädtischen Brachen verschoben. Für diese so genannten Konversionsmaßnahmen gelte ein anderes Förderrecht, was die modifizierte Schlussabrechnung zur Folge hätte. Mit dem rund 80. 000 m² großen ehemaligen Kasernengelände hat die Stadt bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes am 31. 12. 2009 Einnahmen in Höhe von rund 9 Millionen Euro erzielt. Diesen stehen Ausgaben von etwa 8, 7 Millionen gegenüber. 60% des erwirtschafteten Überschusses sind an den Zuschussgeber (Bund und Land) zurückzuführen. Die Gemeinderätinnen- und Räte stimmten der Endabrechnung, der Rückzahlung  und der Aufhebungssatzung „Sanierung Vauban- Kaserne“ zu. Die Sprecher aller Fraktionen bedankten sich außerdem bei Roland Hecker, Bürgermeister Rein und Altbürgermeister Alfred Vonarb sowie der Verwaltung für die Entwicklung des „tollen Gebietes“ (Werner Schneider, FDP/FWG).

Wuchtiges wie Wichtiges mit Beigeschmack

Nach dem Beispiel für eine wirtschaftlich wie städtebaulich erfolgreich abgeschlossene Konversion, stand mit TOP 3: Abbruchantrag für die Gebäude des „Alten Winzerkellers“ der erste Schritt für eine zukünftige Nachverdichtungs- Großmaßnahme auf dem Plan. Bürgermeister Rein betonte, dass es sich um ein „wuchtiges, sensibles und belastendes Thema“ handle, was nicht zuletzt auch auf der Bürgerinformationsveranstaltung am Montag, den 17. 05. 2010, deutlich geworden war. Rein unterstrich ebenso deutlich, dass ein JA zum Abbruchantrag kein JA zur Freigabe von (Förder-)mitteln an den Gebäudeeigentümer BWK bedeute. Diese juristisch bedeutsame Tatsache bestätigte auch Banker Roland Heckel: Während der Abbruchantrag dem Baugesetzbuch unterliege, fiele die Tatsache der Mittelfreigabe unter das Fördermittelgesetz. Dass sich aber faktisch mit dem ersten JA das zweite nicht vermeiden lassen würde, schien allen Anwesenden bewusst zu sein. Hier setzte dann auch die Argumentation des ULB- Fraktionsvorsitzenden Bernhard Langer an. „Der BWK gewinnt, der Steuerzahler zahlt“, so Langer. Der Winzerkeller sei ein Wirtschaftsunternehmen, das gutes Geld verdient habe. Indes hätte man die alten Gebäude verkommen lassen und bei den Versuchen einer alternativen Vermarktung derart überzogene Forderungen gestellt, dass diese scheitern mussten. Langer betonte, dass er das Verursacherprinzip bevorzuge: „Wer irgendwo einen Dreckhaufen hinterlässt soll ihn auch wieder wegräumen.“ Alles andere wäre Verschwendung von Steuergeldern, denn auch Landesfördermittel werden ja letztlich vom Steuerzahler getragen. Lothar Menges, Vorsitzender der SPD- Fraktion, schloss sich Langers Meinung an. Auch er konnte keine win- win- Situation für beide Seiten, sondern nur eine Gewinnsituation für den Winzerkeller erkennen. „Der Gewinn für die Stadt ist weniger in Euro messbar“, so Dr. Jakob Loewe (CDU). Vielmehr stelle der Abriss der innerstädtischen „Verunstaltung“ mit Hilfe von Fördermitteln eine einmalige Chance dar, so dass der ideelle Gewinn sehr groß wäre. Fraktionskollege Rudolf Gnädiger schloss sich mit einer eher pragmatischen Lösung den Abbruchgegnern an, denn „manchmal ist es gut, nicht opportun zu sein“. Das Gebäude stünde nun über 50 Jahre, warum es nicht einfach weiter stehen lassen?

Angesichts der offensichtlichen Missstimmung einiger „seiner“ Räte zog der Bürgermeister erneut den Bankmann zu Rate. Dieser betonte nochmals, dass Innenstadtentwicklung „voll im Trend liege“ und dass Abbruchantrag und Mittelbewilligung zwei paar Schuhe seien.

Reiner Zimmermann (SPD) vermisste im Antrag seine schon in der Aprilsitzung betonte Forderung, den BWK was die Erschließung und Nachnutzung des Geländes angehe vertraglich in die Pflicht zu nehmen (REGIONALIA- Breisacher Nachrichten vom 22. 04. 2010, Artikel- Nr. 2205). Es müsse sichergestellt werden, dass die Erschließung des Geländes nicht auch zu Lasten der Stadt ginge, so Zimmermann. Bevor dies nicht festgehalten wäre, wäre ein JA zum Abbruchantrag ein falsches Signal. Bürgermeister Rein sicherte zu, einen solchen Ordnungsmaßnahmenvertrag in einer nichtöffentlichen Sitzung zu beschließen. Mit 14 zu 10 Stimmen wurde dem heiß diskutierten Abbruchantrag schließlich merklich zähneknirschend stattgegeben. Ob es sich bei dem knappen JA um einen Pyrrhussieg handelt, oder ob sich für die Stadt durch die Beseitigung der Riesenbruchbude ein Zugewinn ohne Beigeschmack ergibt, werden wohl erst die Ereignisse der nächsten Monate zeigen.

TOP 4: Bebauungsplan „Alter Winzerkeller“ wurde mit einer kurzen Präsentation der geplanten Wohngebäude durch Bauamtsleiter Stefan Baum „zur Kenntnis genommen“ und verschoben.

Zeit für die brennende Luft etwas abzukühlen gab TOP 5: Benennung der K4931. Aufgrund der Ansiedlung einer Firma an der Kreisstraße im Stadtteil Oberrimsingen, war eine Namensfindung für diese notwendig geworden. Der Ortschaftsrat Oberrimsingen hatte sich mehrheitlich für den Namen „Mittelmatten“ ausgesprochen. Der Gemeinderat schloss sich der Namensgebung einstimmig an.

Demographisch klug und humanistisch weise

Während die Anlieger/Innen des Winzerkellergeländes zumeist schon den Bürgersaal verlassen hatten, spitzten die anwesenden Mitglieder des Breisacher Seniorenbeirates bei TOP 6: Fortführung der Beratungsstelle für ältere Menschen und deren Angehörige die Ohren. Im Jahr 2008 war unter Federführung des neu gegründeten „caritativen Altenhilfeverbundes Kaiserstuhl- Tuniberg“ die Idee für eine solche Beratungsstelle ins Leben gerufen worden. Mit einer Laufzeit von zwei Jahren wurde für die Gemeinden Breisach, Vogtsburg, Merdingen und Ihringen im Jahr 2009 eine 30%- Stelle geschaffen, die der Sozialarbeiter Markus Rauh als Ansprechpartner für Senioren und deren Angehörige bekleidet. Da dieser Zeitrahmen mit Jahresende ausläuft, galt es für oder gegen eine zweijährige Verlängerung der Sozialarbeiterstelle abzustimmen. Die Kosten für die Förderung betragen auch weiterhin 0, 7 Euro pro Einwohner. Bürgermeister Oliver Rein betonte, dass in einer Stadt wie Breisach, die sehr viel für Kinder, Jugendliche und junge Familien täte auch die Sorgen und Nöte ältere Menschen nicht zu kurz kommen dürften. Diese Aussage bekräftigte auch der Senioren- Sozialarbeiter Markus Rauh, der seine Arbeit in einer kurzen Präsentation vorstellte, mit einem Blick auf die demographische Entwicklung der nächsten Jahrzehnte. So würde die Zahl pflegebedürftiger Menschen um 50%, der Anteil der über 85jährigen in Baden- Württemberg bis 2030 um 5% wachsen. Auch in der Pflege selbst sei ein Trendwandel zu erkennen, so Rauh weiter. Zum einen würde die individuelle, häusliche Pflege aus Kosten- wie humanitären Gründen weiter zunehmen, zum anderen würde die Dauer der Pflegebedürftigkeit auf durchschnittlich acht Jahre ansteigen. Das Leistungsspektrum der Beratungsstelle fasste Rauh unter den Stichworten Hausbesuche, kostenfreie Beratung und ein Konzept „aus einer Hand“ zusammen. Die Rätinnen und Räte aller Fraktionen waren sich nach dem Vortrag des Sozialarbeiters einig: „Die Förderung muss selbstverständlich weiter gehen“ (Dr. Jakob Loewe, CDU). Die Verlängerung der IAV- Stelle um weitere zwei Jahre wurde einstimmig beschlossen.

Initialzündung

Gleichermaßen einig waren sich die Volksvertreter (m/w) bei TOP 7: Schulkooperation der Hauptschulen Breisach und Vogtsburg, zumal der Bürgermeister Befürchtungen wie Raumprobleme in den Schulgebäuden, Mehrkosten oder Schülerbeförderungen von Breisach nach Vogtsburg von vornherein ausschloss. Im Zeitalter sinkender Schülerzahlen, so Thomas Schäfer (CDU), sei eine Kooperation als sinnvoll zu begrüßen. Als „Initialzündung“ für interkommunale Zusammenarbeit bezeichnete Frank Kreutner (SPD) das Projekt, ohne sich jedoch näher auf den tieferen Sinn der Werkrealschulen einlassen zu wollen. Der Kooperationsvertrag fand im Gremium keine Gegner.

Lokalkolorit

Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen wurden auch TOP 8: Neubau der Ganztagsschule, Mensagebäude und TOP 9: Fenstersanierung Schulzentrum Breisach abgesegnet. Die Stadt hatte die Arbeiten bewusst nur beschränkt ausgeschrieben, um lediglich zwischen regionalen Anbietern entscheiden zu müssen. Dies, so Bauamtsleiter Baum, sei bis zu einem Betrag von 1 Million Euro möglich und brächte Vorteile sowohl unter dem Gesichtspunkt von Gewährleistung und möglichen Nachbesserungsarbeiten als auch unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung des lokalen und regionalen Handwerks.

Wo sich die Hunde in den Schwanz beißen

Unter Verschiedenes brachte Gemeinderat und Musiker Eric Karle (ULB) noch einen Antrag für die nächste Tagesordnung ein: Mehr Förderung der Musikkultur in Breisach. Anlass, so Karle, sei das für den 24. Juli geplante Geburtstagsfest der ULB auf dem Marktplatz. Karles Antrag auf eine „moderate Spielzeitverlängerung“ von 22 auf 23 Uhr für die Veranstaltung war von der Gemeindeverwaltung abgelehnt worden. Ab 22 Uhr, beklagte der Gemeinderat, sei in Breisach aufgrund der rigiden Ruhezeithandhabung „tote Hose“, wogegen in teilweise wesentlich kleineren Umlandgemeinden regelmäßig viel geboten würde. Karle zählte zahlreiche Musikveranstaltungen auf und betonte, dass es einer Stadt wie Breisach gut zu Gesicht stünde, auch einmal „auf dem Tour- Plakat eines Weltstars aufzutauchen“. Bürgermeister Rein sicherte Karle zu, dass zumindest sein Antrag spätestens auf der Tagesordnung der übernächsten Gemeinderatssitzung auftauchen würde. Der Eindruck, dass sich in Breisach vor lauter Nachtruhe „die Hunde in den Schwanz beißen“, wollte beim Stadtoberhaupt aber nicht so recht aufkommen.

 

Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 2272 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 19.05.2010 13:32.

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