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Europa schweißt zusammen! Feierliche Eröffnung der Breisacher Europatage

Europa schweißt zusammen: Gemeinsam sitzen und schwitzen! (Bild: J. W. Steckmeister)

Mit einem großen Festakt wurden am Freitag, den 10. Juli 2010, die Breisacher Europatage eröffnet. In der gefühlt 100° heißen Stadthalle hatten sich zahlreiche Ehrengäste zusammengefunden, um gemeinsam Breisachs Städtepartnerschaften und den 60. Jahrestag der Europaabstimmung zu feiern. Die Veranstaltung war zugleich Auftakt des großen Festwochenendes, an dem unter anderem bei zahlreichen Ausstellungen und Aktionen das historische Ereignis des Jahres 1950, das Thema Europa sowie die Partnerschaftsjubiläen mit den elsässischen Gemeinden Saint Louis und Neuf- Brisach und der polnischen Stadt Oswiecim im Mittelpunkt stehen. 

Nach der Begrüßung zahlreicher Ehrengäste, unter denen sich neben Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel und dem Landtagsabgeordneten Christoph Bayer sowie den Breisacher Altbürgermeistern Fritz Schanno und Alfred Vonarb selbstverständlich auch die Bürgermeister der drei Partnerstädte Jean Ueberschlag, Richard Alvarez und Janusz Marszalek mit Delegationen aus ihren Gemeinden befanden, dankte Bürgermeister Rein zunächst Professor Werner Nickolai. Nicht zuletzt seinem Engagement, so Rein, sei es zu verdanken, dass vor einem Jahr die Partnerschaft mit Oswiecim (Auschwitz) zustande gekommen sei, die gerade deshalb von außerordentlicher Bedeutung wäre, weil sie für die Deutschen eine „brutale Konfrontation mit der Geschichte“ darstelle. Für die jüngste Breisacher Städtepartnerschaft empfinde Rein vor allem Dankbarkeit gegenüber den Bürgern von Oswiecim. Als „Motor für Europa“ bezeichnete das Breisacher Stadtoberhaupt die deutsch- französische Aussöhnung. Breisach und Saint Louis feierten mit ihrer im Jahr 1960 begründeten „Jumelage“ in diesem Jahr „Goldene Hochzeit“, was ja nur passiert, „wenn man sich sehr lieb hat“, so der Bürgermeister.

Einen kurzen Rückblick auf die weitaus länger zurückliegende gemeinsame Geschichte der Städte Breisach und Saint Louis stellte Bürgermeister Jean Ueberschlag in das Zentrum seiner Rede. Vor 300 Jahren hatte Ludwig der XIV. in Breisach die Gründung einer neuen Stadt namens Saint Louis angeordnet. „Unsere Stadt ist in Breisach entstanden“, so Ueberschlag. Und auch Saint Louis´ Bürgermeister griff auf das Bild der Ehe zurück: Partnerschaft, auch Städtepartnerschaft hieße, Freude und Leid miteinander zu teilen, denn Freude und Leid des Einen seien Freude und Leid des Anderen. Neuf- Brisachs Bürgermeister Richard Alvarez ließ ebenfalls den „Sonnenkönig“ zu Wort kommen, der Breisach als das „Juwel der französischen Krone“ bezeichnet und Neuf- Brisach als Trostpflaster für den Verlust Breisachs an die Habsburger hatte erbauen lassen. Wie eng Breisach und Neuf- Brisach zusammengehörten, so Alvarez, würde man auch weiterhin der UNESCO deutlich machen, damit neben der französischen Vauban- Stadt auch Breisach endlich den Titel „Weltkulturerbe“ zugesprochen bekäme. Um die Verbundenheit mit den deutschen Nachbarn zu unterstreichen beendete Alvarez seine Rede mit einem Appell in deutscher Sprache, der die Wichtigkeit von Städtepartnerschaften unterstrich und auch über die schwindenden Grenzen Europas hinaus Gültigkeit hat: „Es lebe die Freundschaft unter uns allen, es lebe die Freundschaft unter allen Ländern der Welt!“
Nachdem die Stadtmusik Breisach für die feierliche Einstimmung gesorgt hatte, bot nun die Chorgemeinschaft MGV 1845 erfrischende gesangliche Abwechslung.
Karl- Anton Hanagarth war Talkmaster der folgenden Podiumsdiskussion „Schüler befragen Zeitzeugen“. Neben den Schülern des Martin- Schongauer- Gymnasiums Nora Steinhäuser und Gerhard Gehring, die im Geschichtsunterricht Fragen vorbereitet hatten, nahmen die Breisacher Altbürgermeister Fritz Schanno und Alfred Vonarb sowie ihre französischen Amtskollegen Maurice Zimmerlé und Joseph Werthle als Zeitzeugen auf der Bühne Platz. Die Städtepartnerschaft mit Saint Louis war eher einem glücklichen Zufall zu verdanken, schilderte Altbürgermeister Vonarb. Auf die Frage nach den Vorteilen einer Städtepartnerschaft antwortete er ebenso knapp wie eindeutig: Menschen begegnen sich und werden zusammengeführt. Einer Partnerstadt in der Nähe, so Vonarb auf die Frage nach der idealen Entfernung zur Partnergemeinde, fehle zwar „der Reiz der Exotik“, jedoch könne man sich häufiger sehen und so auch gemeinsame Projekte angehen, weshalb er diesen den Vorzug gäbe. Skeptisch stand Vonarb auch einer Partnerstadtsschwämme gegenüber, weil ein zu Viel wirklich intensive Kontakte nicht möglich mache. Einen Appell gerade an die jungen Leute hatte Maurice Zimmerlé im Gepäck: „Kommt mehr zu uns ins Elsass!“ Auf die Frage, inwieweit Städtepartnerschaften im Alltag der Bürger angekommen seien, zeigten sich Wehrle und Zimmerlé eher zuversichtlich, wogegen Alfred Vonarb sich für die Zukunft noch mehr persönliche Begegnungen und vor allem grenzüberschreitende Berichterstattung in den Medien wünschte.
Nach einem weiteren Ständchen der Chorgemeinschaft wiederholten Oswiecims Bürgermeister Janusz Marszalek und Breisachs Bürgermeister Oliver Rein die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde, die bereits vor einem Jahr von beiden Bürgermeistern im Oswiecim unterzeichnet worden war. Bürgermeister Marszalek war nicht mit leeren Händen nach Breisach gekommen. Mit einem Buchgeschenk über den polnischen Pabst Johannes Paul II und dem Wunsch für „den schönen Frieden für alle Länder“ bedankte er sich bei Oliver Rein, Werner Nickolai, Erwin Teufel und den Bürgermeisterkollegen der anderen Partnerstädte.

Im Anschluss an ein musikalisches Intermezzo der Stadtmusik ging Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel in seiner Rede auf die zwei geschichtlichen Epochen Europas ein, die vor und die nach 1945. Vor dem Zweiten Weltkrieg, so Teufel, wäre Europa ein „Kontinent der Gewalt“ gewesen. Allein seit dem Ende des 30jährigen Krieges hätte es auf dem Kontinent 55 weitere Kriege gegeben. Winston Churchill war der Erste, der die Wichtigkeit der „Vereinigten Staaten von Europa“ erkannt hatte. Ebenso klar sah Churchill, dass der Anfang zu dieser Vision von Deutschen und Franzosen gemacht werden müsse. Den dritten bedeutenden Schritt machte Teufel an der Gründung der deutsch- französischen Montanunion im Jahre 1953 fest, die im Wesentlichen vom französischen Außenminister Robert Schumann forciert worden war. Bewegt zeigte sich Teufel über die Städtepartnerschaft zu Oswiecim. Der Völkermord in Polen, betonte Teufel, habe bereits im Jahr 1939 durch SS- Truppen begonnen und seinen grausamen Höhepunkt im Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau gefunden. Umso höher seien Symbol und Handlung der Partnerschaft zu einer deutschen Stadt zu würdigen. Die Europamüdigkeit der Gegenwart käme, erklärte Teufel, durch ein falsches Eingreifen der EU, die sich nicht um 1000 falsche, sich in nationale Problematiken einmischende, sondern um wenige richtige Themen kümmern sollte. Belange nämlich, die über die Grenzen der Nationalstaaten hinausgehen wie Friedenssicherung, Umweltschutz, Wirtschaft und Forschung. Eine europäische Identität, beendete der ehemalige Landesvater seine Rede, entstehe am ehesten über die Besinnung auf eine gemeinsame Herkunft. Bevor die Bürgermeister sich weitere Geschenke überreichten, trugen sich alle Redner in das Goldene Buch der Stadt Breisach ein. Nach kurzen Dankesworten von Bürgermeister Oliver Rein endete der offizielle Teil des Abends mit der Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“. Bei den Gästen des Festakts war die Freude entsprechend groß, als die mittlerweile komplett sauerstoffleere Stadthalle verlassen werden durfte, um im stilvoll geschmückten Außenbereich bei Musik, Schnittchen und kühlen Getränken Freundschaften zu vertiefen und den Abend ausklingen zu lassen. Europa schweißt nicht nur zusammen, zumindest in Breisach schwitzt Europa auch zusammen!

Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 2433 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 11.07.2010 00:22.

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Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen (Bild: J. W. Steckmeister)  

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Janusz Marszalek und Oliver Rein (Bild: J. W. Steckmeister)  

Gastredner: Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel (Bild: J. W. Steckmeister)  

Stich der Stadt: Geschenke für Breisachs Gäste (Bild: J. W. Steckmeister)  
   
 

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